Dienstag, 27. August 2013

„Rechtsfreier Raum Forensik“? – „Runder Tisch“ der kbo-Klinik Taufkirchen


Rechtsfreier Raum Forensik“? – „Runder Tisch“ der kbo-Klinik Taufkirchen
(Gemeinsame Presseerklärung – abgestimmt mit allen Beteiligten)


Auf Initiative der Leitung des kbo-Klinikums Taufkirchen (Vils) fand am 12.08.2013 ein „Runder Tisch“ zum Thema Maßregelvollzug/Forensik im Neubau der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Taufkirchen statt. 
 
Im Einladungsschreiben zu diesem Runden Tisch hieß es:
„… in der (nicht zuletzt durch den „Fall“ Gustl Mollath) öffentlich geführten Diskussion über den Maßregelvollzug („Forensik“) gibt es aus unserer Sicht zahlreiche Missverständnisse bzw. Anklagen und Vorwürfe, die mit der Realität des Maßregelvollzuges nichts bis wenig zu tun haben.
Unsere Klinik ist – im Sinne unseres „Leitbildes“ – um Offenheit und Transparenz bemüht. Wir haben nichts zu verbergen und sind gerne bereit, uns auch mit kritischen Meinungen auseinanderzusetzen ...“.

An dem von Frau Rechtsanwältin Lorenz-Löblein auf Bitten der Klinikleitung moderierten „Runden Tisch“ nahmen (in alphabetischer Reihenfolge) teil:
- Herr Badura (Pflegedienstleitung Forensik),
- Frau Dr. Binder (Oberärztin der Forensik),
- Herr Prof. Dose (Ärztlicher Direktor des kbo-Isar-Amper-Klinikums Taufkirchen),
- Frau Dr. med. Fick (Menschenrechtsbeauftragte der Bayerischen Landesärzte-kammer),
- Frau Haas und Frau Tagwerker (Patientinnen der Forensik; mit der Veröffentlichung ihres Namens einverstanden)
- Herr Hemmersbach (Geschäftsführer des kbo-Isar-Amper-Klinikum),
- Frau Herrmann (Angehörigengruppe Forensik Taufkirchen),
- Frau Klein (Chefärztin, Leiterin des Maßregelvollzugs in Taufkirchen seit 01.07.2013),
- Herr Letsch (Zusammenschluss Bayerischer Bildungsinitiativen),
- Herr Lüttecke (verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit am kbo-Isar-Amper-Klinikum),
- Frau Pfarrerin Oefele (Seelsorgerin an der Klinik Taufkirchen),
- Frau Winter (Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch Kranker e.V.),
-
Eingeladen waren außerdem Vertreter des Netzwerks Psychiatrie e.V. (München), die Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V., Vertreter der Münchner Psychiatrie-Erfahrenen (MüPE) e.V., die Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (vertreten durch Frau RA’in Lorenz-Löblein), sowie die „Interessenvertretung Inhaftierter (Iv.I.)“, die jedoch nicht erschienen. Fritz Schuster (Bundesverband der Psychiatrie-Erfahrenen und „Initiative Inhaftierter“) hatte Frau Lorenz-Löblein seine Teilnahme als „Telefongast“ angekündigt, sich aber nicht (wie vereinbart) bei der Klinik gemeldet.

Nach einer „Vorstellungsrunde“ hatten die einzelnen Teilnehmer Gelegenheit, ihre Fragen und Anregungen vorzutragen.
Dabei ging es (von Seiten der „Angehörigengruppe Forensik Taufkirchen“) insbesondere um die Frage der Vermeidbarkeit von Isolierungs- und Fixierungsmaßnahmen, zu denen die Klinikleitung ausführte, Isolierungen und Fixierungen würden – entsprechend unternehmensweit geltender „Richtlinien“ – ausschließlich in nicht vermeidbaren Situationen eingesetzt und seien in diesen Situationen auch in der Regel nicht vermeidbar. 

Von den anwesenden Patientinnen (eine von ihnen war selbst schon einmal fixiert worden) wurde eingebracht, Isolierungen und Fixierungen hielten sie auch zum Schutz der Mitpatientinnen für richtig, da es immer wieder auf den Stationen zu bedrohlichen Situationen durch aggressive Patientinnen komme. 
Diese würden manchmal Angst erzeugen, und man sei dann als Patientin froh, wenn man durch Eingriffe des Personals (die sich die Patientinnen gelegentlich zu einem früheren Zeitpunkt wünschen würden) geschützt werde. Außer den beiden anwesenden Patientinnen, Frau Herrmann und Frau Lorenz-Löblein hatten nur die anwesenden Mitarbeiter des BKH jemals mit Personen mit Fixierungserfahrung gesprochen.

Um zu diesem Thema „Transparenz“ zu schaffen sprach die Klinikleitung an alle Beteiligten des „Rundes Tisch“ die Einladung aus, sich durch eine „Hospitation“ auf einer der Forensik-Stationen ein eigenes Bild von den Verhältnissen zu machen. Die Hospitation sollte mindestens eine Woche dauern, um ein reales Bild über die Gegebenheiten auf Station zu vermitteln.

Frau Dr. Fick führte aus, dass sie von der Klinikleitung gebeten worden sei, die (öffentlich bezüglich „Menschenrechtsverletzungen“ etc.) gegen die Klinik gerichteten Vorwürfe zu überprüfen und dass sie dazu in ihrer Funktion als „Menschenrechtsbeauftragte der Bayerischen Landesärztekammer“ auch bereit sei. Sie wolle in den nächsten Tagen versuchen, zu der Klage führenden Patientin Ilona Haslbauer Kontakt aufzunehmen und sie bei diesem Gespräch auch darum zu bitten, die Klinikleitung von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden, damit auch diese eine Stellungnahme zu diesen Vorwürfen abgeben könne. 
Bislang hatte Frau Haslbauer nach Bericht der Klinikleitung diese erbetene Entbindung von der Schweigepflicht verweigert. Zwischenzeitlich hat (Information durch Frau Dr. Fick) ein Gesprächsversuch von Frau Dr. Fick stattgefunden, den Frau H. nach Angaben Frau Dr. Ficks „vehement abgelehnt“ hat.

Von Herrn Letsch (Zusammenschluss bayerischer Bildungsinitiativen) wurde vorgetragen, dass die öffentlich gemachten Vorwürfe von Frau Haslbauer die Zusammenschlüsse der „Psychiatrie-Erfahrenen“ sehr beunruhigen würden und man sich diesbezüglich eine Aufklärung wünsche. Bei den Unterstützern gebe es keine einheitliche Sichtweise der Situation.

Die Klinikleitung führte dazu aus, man sei gerne bereit, zu allen Vorwürfen umfangreich Stellung zu nehmen und Transparenz zu schaffen. Voraussetzung sei allerdings zuerst, dass pauschal erhobene Vorwürfe konkretisiert würden und dass Frau Haslbauer die schon lange eingeforderte Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erteile, da sonst nur zu konkreten, öffentlich erhobenen Einzelvorwürfen Stellung genommen werden könne. 
 
Von Seiten der Klinikleitung wurde auf die seelische Belastung und verunsichernde Wirkung der in der Öffentlichkeit (zumeist unhinterfragt) pauschal erhobenen Vorwürfe berichtet. Es wurde darauf hingewiesen, dass „Patientenbefragungen“ in der Forensischen Klinik das Ergebnis erbracht hätten, dass sich die große Mehrheit der Patientinnen in der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Taufkirchen korrekt und „fair“ behandelt fühlt. 
Dass es in einem derart spannungsreichen Arbeitsgebiet auch von Seiten der Mitarbeiter/-innen zu Fehlern und Versäumnissen kommen könne, sei unausweichlich. Dennoch sei man von Seiten der Klinikleitung durch interne Möglichkeiten wie „Patientenfürsprecher“, Seelsorge, Beschwerdemanagement etc. darum bemüht, den Patientinnen die Möglichkeit zu geben, Klagen und Beschwerden an unabhängige und neutrale Personen heranzutragen, die dann auch zur Aufklärung im Gespräch mit der Klinikleitung verpflichtet seien.

Insgesamt trug der „Runde Tisch“ dazu bei, das gegenseitige Verständnis für die unterschiedlichen Standpunkte und Sichtweisen zu stärken. Die Mitarbeiter der Klinik bekannten sich zur „konsequenten Inkonsequenz“, d.h. starre Regeln werden verantwortlich ausgelegt und es gibt (im Interesse der Patientinnen) Abweichungen. Die Patientinnen stimmten dieser Aussage zu und betonten, dass dieses gerade der menschliche Aspekt der Klinik sei.

Besuchs- und „Hospitations-Möglichkeiten“ wurden konkret besprochen und es wurde vereinbart, den „Runden Tisch“ zur Stärkung der Transparenz und des gegenseitigen Vertrauens auch in Zukunft weiterzuführen.

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